Premiere „Haus ohne Ruhe“Eine Trilogie nach Orestie von Aischylos
„Ich habe mein Schicksal verändert. Ich habe einen freien Willen“ Zinnie Harris, die von 2000 bis 2001 Hausautorin bei der Royal Shakespeare Company war, gab Klytämnestra diese Handlungsmacht. In ihrer groß überschriebenen Trilogie nach der Orestie von Aischylos sind die Frauen wirkmächtig und kein schmückendes Beiwerk. Endlich kommen die Frauen zu Wort. Es geht nicht mehr um Heldenepos, in dem Agamemnon seine älteste Tochter opfert, um die Götter milde zu stimmen, damit die Winde das Heer verletzter männlicher Ehre nach Sparta tragen. Es geht um die archaische Wucht von Schuld, Vergebung und Sühne. Es geht darum, was machte es mit Klytämnestra, dass ihre Tochter durch die Hand des Vaters getötet wurde. Sie ist daran fast zerbrochen und ertränkt Jahre lang ihre Trauer im Alkohol. Gleichzeitig sinnt sie auf Rache. Als Agamemnon siegestrunken heimkehrt, wird deutlich, dass auch ihn wohl dieses Opfer schwer belastete. Er hofft auf Vergebung und Versöhnung mit seiner Frau. Beeindruckend, dass beide Eltern nicht eindimensional, sondern in der breiten Palette der Ambivalenz gezeigt werden und damit von unpersönlichen Helden als Menschen mit all ihren Zweifel, Ängsten und Hoffnungen greifbar werden.
Anders als in der griechischen Mythologie rächt nicht Orestes den Mord an seinem Vater, sondern Klytämnestra stirbt durch die Hand ihrer geliebten Tochter Elektra, die von der Mutter schwer enttäuscht ist. Allerdings geht die Rache nicht an ihr spurlos vorbei, sondern es wird zu einem Trauma, das wie ein roter Faden über Generationen weiter gegeben wird.
Der dritte Akt spielt in der Gegenwart in einer Psychiatrie und knüpft an das psychoanalytische Wissen über die unbewusste transgenerationale Weitergabe von Traumata. Damit wird ein Bogen von der Antike in die Gegenwart geschlagen und zeigt „ die Lebenden treiben die Lebenden um, nicht die Toten, Geister und Götter und Dämonen.“ Das Epos endet damit, dass dem kindlichen Opfer, der Iphigenie der Abschlussmonolog überlassen wird. Damit bekommt nicht nur das Opfer eine Stimme, sondern auch die dritte Frau der Familie wird als wirkmächtig dargestellt. Sie spricht sich für ein Ende der Tragödie aus und weist den Tätern die Verantwortung zu: „ich war nur ein kleines Mädchen, alles andere wart ihr.“Egal ob man die überragende Leistung des Chors, das beeindruckend als Außenseitergruppe von Kriegsveteranen das Geschehen kommentiert oder die differenzierte und hoch präsente Darstellung jedes der Schauspielerinnen oder Schauspieler hervorheben möchte. Das „Haus ohne Ruhe“ ist ein absolut gelungener Auftakt der 39. Bayerischen Theatertage und eine Leistungsschau des hervorragenden Ingolstädter Ensembles. Es zeigt einmal mehr,was für ein Glück wir in Ingolstadt mit unserem Theater haben.
Bildinformationen
- Theatertage/Haus ohne Ruhe: Stadttheater Ingolstadt
- Theatertage/Haus ohne Ruhe: Stadttheater Ingolstadt
- Theatertage/Haus ohne Ruhe: Stadttheater Ingolstadt