Von Kammerspielen, Kitas und Sicheren Häfen
Am Donnerstag kam der Stadtrat zum letzten Mal vor der Sommerpause zusammen
Dass im Ingolstädter Stadtrat gerne mal ausführlich diskutiert wird, ist nichts Neues. Dass dabei auch globale Themen zur Sprache kommen, ist dann doch eher selten. Am Donnerstag, 25. Juli, ging es bei hochsommerlichen Temperaturen im angenehm klimatisierten Sitzungssaal eben nicht nur um Sepp Mißlbecks Vorschlag zu den Kammerspielen und die geplante Kita an der Gustav-Adolf-Straße, sondern auch um einen Antrag der Grünen, den man eher als global bezeichnen könnte. Sie beantragten, Ingolstadt möge sich an der Solidaritätsaktion „Sicherer Hafen“ beteiligen.
Kammerspiele
Obwohl es fast zu erwarten war, dass er im Stadtrat ebenso wenig Erfolg haben würde, wie im Stadtentwicklungsausschuss startete er doch einen erneuten Versuch. Bürgermeister Sepp Mißlbeck (UDI) stellte den Entwurf der Kammerspiele an der Donau, den er zusammen mit dem Architekten Peter Bachschuster erarbeitet hatte (SPD-Stadtrat Manfred Schuhmann nannte ihn eine „Stricherlzeichnung“), erneut vor. Er beantragte, dass das aktuelle Verfahren gestoppt und eine neue Ausschreibung mit neuen Überlegungen und Alternativen ins Leben gerufen wird. Darüber entscheiden würde dann erst der neue Stadtrat im nächsten Jahr.
„Ich stehe damit heute gerne nochmal am Pranger“, betonte er. Schließlich sei das Theater am Ufer eine echte Alternative. Das sahen seine Stadtrat- und auch seine UDI-Kollegen etwas anders. Sie lehnten seinen Antrag geschlossen ab – nachdem Dorothea Soffner (UDI-Fraktionsvorsitzende) das Ende der Debatte beantragt hatte. Petra Kleine (Die GRÜNEN) warf noch die Frage auf, als was Mißlbeck auftrete: „Als Einzelstadtrat? Als Teil der Fraktion? Als Bürgermeister?“
Nach einer erneuten Niederlage Mißlbecks können die Kammerspiele Ingolstadt nun weiter ihren geplanten Weg gehen. Nach einer Machbarkeitsstudie der drei Siegervorschläge, die auch in Sachen Kosten aufschlussreich sein soll, soll die Entscheidung nächstes Jahr im Sommer fallen. Weil am 15. März 2020 neu gewählt wird, werden einige der jetzigen Stadträte da aber vielleicht schon nichts mehr mitzureden haben.
Kita an der Gustav-Adolf-Straße
200 Kindergarten- und 96 Krippenplätze sorgten im weiteren Verlauf der Sitzung für erhebliches Diskussionspotential. Sechs zu einer Kita umgebaute Gebäude entlang der Gustav-Adolf-Straße (35 bis 35e) sollen von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GWG) vorerst für die nächsten 30 Jahre angemietet werden (ab Juli 2020). 21 Erzieherinnen, 18 Kinderpflegerinnen und 3,5 Küchenkräfte sollen für diese Kita eingestellt werden. Was erstmal positiv klingt – viele neue Betreuungs- und Arbeitsplätze – entwickelte sich zu einer hitzigen (Wahlkampf-)Diskussion.
Nachdem aus der Opposition Stimmen laut wurden man wolle keine Groß-Kita und würde dagegen stimmen, meldete sich Patricia Klein (CSU-Fraktionsvorsitzende) zu Wort. Wer die Sitzungsvorlagen verfolge, wisse, dass Ingolstadt in einer brenzligen Situation sei. Schließlich brauche man allein für die über Drei-Jährigen in den nächsten drei Jahren 900 Betreuungsplätze. „Es wäre Harakiri, wenn der Stadtrat daran denkt, ein solches Projekt, bei dem innerhalb kürzester Zeit viele Betreuungsplätze entstehen, zu stoppen“. Schließlich blieben die Menschen, die mit den Kindern arbeiten in Erinnerung, nicht der Ort, an dem dies geschehen sei.
Kulturreferent Gabriel Engert wehrte sich vehement gegen die Bezeichnungen „Groß-Kita“ und „Notlösung“. Vier von den sechs Häusern sollen für den Gruppenbereich genutzt werden. In jedem Haus sollen jeweils zwei Kindergartengruppen (OG) und zwei Krippengruppen (EG) untergebracht werden. „Das sind überschaubare Verhältnisse und ist in anderen Einrichtungen auch nicht anders“, betont er. Auch die Außenbereiche zum Spielen seien getrennt, sodass jedes Haus für sich agieren könne. Zum Mittagessen würden jeweils nur vier Kindergartengruppen gleichzeitig gehen. Die Krippenkinder essen ohnehin im Gruppenbereich.
Karl Ettinger (FDP) erklärt, dass für ihn die Frage „würde ich mein eigenes Kind da hinschicken“ besonders wichtig war. Nach einem Gespräch mit Maro Karmann, Leiter des Amts für Kinderbetreuung, sei dies definitiv der Fall.
Während die Bedenken der Grünen bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeräumt sind, zeigt sich die SPD zwar kompromissbereit, fühlt sich aber dennoch von Kleins Ausführungen „genötigt“. Das wiederum bietet Bürgermeister Albert Wittman (CSU) die Steilvorlage, um in den Wahlkampf einzusteigen. Er weist darauf hin, dass der OB-Kandidat der SPD (Christian Scharpf) in München tätig sei, wo man sich in Sachen Bedarfsdeckung Verhältnisse wie in Ingolstadt wünschen würde.
Nach zahlreichen weiteren Wortmeldungen beantragte Christoph Lauer (Die GRÜNEN) ein Ende der Debatte. Dann konnte es endlich an die Abstimmung gehen. Nach einer solch aufgeheizten Diskussion mit zahlreichen Kritikpunkten und Drohungen man stimme dagegen, möchte man meinen, dass die Entscheidung relativ knapp ausgeht. Falsch gedacht: Alle Stadträte stimmten dafür – auch die Kritiker aus den Reihen der BGI und SPD. Oberbürgermeister Christian Lösels Kommentar: „Gut, dass wir drüber diskutiert haben“.
Solidaritätsaktion „Sicherer Hafen“
Die GRÜNEN hatten den Antrag gestellt, Ingolstadt möge sich als wichtiges Signal der Solidaritätsaktion „Sicherer Hafen“ anschließen, dem bereits einige Städte in Deutschland angehören (darunter zwei in Bayern: Regensburg und Erlangen).
OB Lösel nahm der Diskussion eines vorweg: „Ich möchte eines für die gesamte Stadtspitze vorwegnehmen: jemand, der am Ertrinken ist, muss gerettet werden“.
Klein betonte: „Ja dem Sterben muss ein Ende bereitet werden. Und es ist wichtig und richtig, dass es die Seenotrettung gibt“. Aber man könne diese Probleme nicht auf kommunaler Ebene lösen, da müsse die EU den ersten Schritt machen. Möglicherweise würde man als „Sicherer Hafen“ zusätzliche Anreize für Menschen schaffen, den Weg über das Mittelmeer zu gehen. „Wir müssen auf europäischer Ebene Lösungen finden“.
Soffner gab zu Bedenken, dass das Ankerzentrum in Ingolstadt alles sei, aber bestimmt kein „Sicherer Hafen“. „Wie soll die Hilfe konkret aussehen?“, fragte sie sich.
Bürgermeister Wittmann schlägt einen Ingolstädter Weg vor, der vorerst aus drei Teilen bestehen könnte:
- Im Ältestenrat darüber sprechen, wie jeder einzelne Stadtrat etwas tun kann (z.B. über Spenden)
- Das Engagement in Afrika weiter ausbauen
- Das Gespräch mit Bundestags- und Europaabgeordneten suchen, die die Region Ingolstadt vertreten
Letztendlich stimmten 25 Personen gegen den Antrag, 23 dafür. Eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „Sichere Hilfe“ für den Ingolstädter Weg wird ins Leben gerufen und soll bis Ende des Jahres erste Ergebnisse vorlegen. Nur ein Stadtrat stimmte gegen die Arbeitsgruppe.