Rettungspaket
Stadtrat diskutiert Zukunft und Vergangenheit der Heilig-Geist-Spital-Stiftung
Schon seit Längerem erhitzt die Heilig-Geist-Spital-Stiftung die Gemüter – sei es bei den Mitarbeitern, den Bürgern oder im Stadtrat. Nun sollen endlich Taten, in Form von konkreten Rettungsmaßnahmen folgen. Natürlich nach eingehender Bestandsaufnahme. Das Ziel dahinter: Die Stiftung in eine möglichst gute Zukunft führen.
Stadtspitze, Referate sowie Stadt- und Stiftungsverwaltung haben sich in den letzten Wochen ausführlich mit der historischen Entwicklung und der aktuellen Situation der Heilig-Geist-Spital-Stiftung befasst und einen detaillierten Fragenkatalog erarbeitet. 68 Fragen, Analysen und Antworten sowie diverse Anhänge (insgesamt kommt das Dokument auf stolze 83 Seiten) liefern Informationen zur Stiftung, deren Finanzen, Einrichtungen und Gebäuden. Um vollständige Transparenz zu gewährleisten wurden auch Fragen der Stadtgesellschaft, des Freundeskreises der Stiftung und der CSU-Stadtratsfraktion im Stadtrat am 6. Juni mit aufgenommen und in öffentlicher Sitzung als Tagesordnungspunkt 1 beantwortet.
Einsicht in Fragenkatalog
Unter: https://www.ingolstadt.de/sessionnet/getfile.php?id=144019&type=do kann der umfangreiche Fragenkatalog nach wie vor aufgerufen werden – schließlich hat nicht jeder Bürger Zeit donnerstags um 15 Uhr den Stadtrat zu besuchen. Tagesordnungspunkt 1 wurde übrigens bis 18:45 Uhr diskutiert (nachdem zu Beginn 40 Minuten lang über die Tagesordnung diskutiert worden war). 19 weitere Tagesordnungspunkte mussten bis nach der Pause warten.
„Diese Bestandsaufnahme ist eine Analyse der Vergangenheit und soll die Grundlagen für eine gute Zukunft legen“, so Oberbürgermeister Christian Lösel. „Verschiedene Entwicklungen und Entscheidungen der vergangenen 40 Jahre haben zur Situation geführt, die wir heute vorfinden. Von Schuldzuweisungen halte ich nichts“, ergänzt er.
Wie geht es weiter?
Schon in der nächsten Stiftungsrat-Sitzung (17. Juli) und in der nächsten Stadtratssitzung (25. Juli) sollen konkrete Rettungsmaßnahmen diskutiert und beschlossen werden. Nur so können die Stiftung und ihre Einrichtungen möglichst schnell stabilisiert werden. Und nur so kann positiv in die Zukunft geblickt werden.
Das Gebäude-Ensemble Technisches Rathaus (das Technische Rathaus selbst, das Benefiziatenhause, die Tiefgarage, Spitalkirche ausgenommen) soll über einen Erbbaurechtsvertrag von der Stiftung an die Stadt übergehen. So bliebe es langfristig im Eigentum der Stiftung – ohne Belastungen durch Bauunterhalt und Sanierung. Für die Nutzung durch die Stadt würde die Stiftung künftig Erbbauzins-Zahlungen erhalten, die zur Unterstützung der Heimeinrichtungen genutzt werden könnten. Denn deren Wirtschaftlichkeit muss ohne Zweifel deutlich gestärkt werden.
Auch der innerstädtische Standort Fechtgasse soll für „rüstige Senioren“ erhalten bleiben. Er könnte in Zukunft als Einrichtung für betreutes Wohnen oder als Mehrgenerationenhaus genutzt werden. Senioren mit höherem Pflegegrad könnten künftig in einer neuen Einrichtung an der Jahnstraße untergebracht werden. „Damit hätten wir verschiedene Einrichtungen, die auf die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Seniorinnen und Senioren bestmöglich zugeschnitten sind“, so Lösel.
Die Hiobsbotschaft: Bereits in 5 Jahren werden rund 300 weitere Pflegeplätze in Ingolstadt benötigt. Bis 2035 sogar 600. Das heißt, zu den bestehenden 13 müssen in den nächsten Jahren circa vier weitere große Einrichtungen in Ingolstadt entstehen. OB Lösel beauftragte Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle damit, mögliche Orte in Grünbereichen, Kliniknähe, Altstadt oder im Süden der Stadt für künftige Pflegeeinrichtungen ausfindig zu machen. „Ingolstadt wächst in sämtliche Richtungen“, betont er.
Einleitende Zusammenfassung
Die folgende Einleitung des umfangreichen Fragenkatalogs legt die grundlegenden Erkenntnisse und Vorhaben der vorgenommenen Analyse offen:
„Die Heilig-Geist-Spital-Stiftung bot in den vergangenen vier Jahrzehnten die günstigsten Pflegesätze der Stadt. Das war sozialpolitischer Wille des Stadtrates und kam Bewohnerinnen, Bewohnern der Alten- und Pflegeheime und deren Angehörigen zu Gute.
Die günstigen Pflegesätze waren aber nicht wirtschaftlich, denn die Betriebskosten waren stets höher als die Erlöse, wodurch Jahr für Jahr hohe Verluste in den Einrichtungen entstanden. Die Verluste der Heime wurden jahrzehntelang aus den Einkünften aus dem Vermögen und dem Vermögen der Stiftung selbst gedeckt, die erforderlichen Verlustübernahmen durch die Stiftung wurden stets durch die zuständigen Gremien des Stadtrats beschlossen.
Damit schrumpfte nicht nur das Stiftungsvermögen, sondern es blieb auch kein Spielraum mehr um Rücklagen zu bilden, z.B. für Instandhaltungsmaßnahmen der Gebäude.
In jüngerer Vergangenheit wurde die Situation zusätzlich durch zurückgehende Erträge aus dem Stiftungsvermögen sowie einem zunehmenden Fachkräftemangel verschärft. Tatsächlich steht heute der Stiftung nicht ausreichend Kapital für nötige Sanierungsmaßnahmen der Gebäude in der Fechtgasse, des Technischen Rathauses und für den Neubau eines Seniorenzentrums zur Verfügung.
Zu niedrige Pflegesätze, Verluste in den Pflegeeinrichtungen und eine Aufzehrung des Stiftungsvermögens – aus heutiger Sicht ist dieses Konzept stark zu hinterfragen. Eine Neuausrichtung wäre spätestens mit Einführung der Pflegeversicherung (1995), allerspätestens aber mit dem Inkrafttreten der Ausführungsverordnung zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (2011) notwendig gewesen.
Die Stadt Ingolstadt hat das alte Spital seit dem Jahr 1977 zur Nutzung als Technisches Rathaus gemietet. Die Überprüfung der vertraglichen Grundlagen, von der Mietzahlung bis hin zum Bauunterhalt, sowie die sonstigen Zahlungen der Stadt lassen keinesfalls eine Schlechterstellung der Heilig-Geist-Spital-Stiftung erkennen. Die jeweils vereinbarten Mietpreise waren unter Berücksichtigung aller sonstigen Zahlungen der Stadt Ingolstadt an die Heilig-Geist-Spital-Stiftung für das Technische Rathaus (großer und kleiner Bauunterhalt, Investitionen) marktüblich.
Auch in schwierigen Zeiten stehen Stadtrat und Stadt Ingolstadt an der Seite der Heilig-Geist-Spital-Stiftung, um gemeinsam mit dem Stiftungsrat die Probleme zu überwinden und die Stiftung und ihre Einrichtungen in eine gute Zukunft zu führen. Das Rathaus, der Stiftungsrat und der Stiftungsverwalter arbeiten hierfür an Konzepten.“
Reaktionen im Stadtrat
BGI-Fraktionsvorsitzender Christian Lange freute sich über die erlangte Transparenz und dankte der Opposition für ihre Hartnäckigkeit, die seiner Meinung nach dazu geführt hatte, dass das Thema nun auf dem Tisch liege.
Christian Höbusch (Grüne) betonte: „Wir dürfen uns nicht an den Analysen festklammern und Vorwürfe anklingen lassen. Wir müssen uns auf die positive Zukunftsprognose konzentrieren, die es noch zu belegen gilt“. Er forderte einen nachvollziehbaren Businesstext mit Best- und Worst-Case-Szenarien, die eintreten könnten.
„Wir können uns den Erfolg fraktionsübergreifend auf die Fahne schreiben“, erklärt Dorothea Deneke-Stoll (CSU). „Wir sind auf einem guten Weg und sollten den auch gemeinsam gehen“, ergänzt sie.
Hans Süßbauer (CSU): „Die Altenpflege war super, die kaufmännischen Verhältnisse katastrophal. Eine Aufarbeitung ist das erste, Transparenz das zweite, positive Aussichten das dritte.“
„Ich stehe zu meiner Aussage, dass die Heilig-Geist-Spital-Stiftung kein Wahlkampfthema ist. Das heißt aber nicht, dass man nicht darüber reden darf. Was so betrieben wurde hatte allerdings keinerlei Substanz, wie zum Beispiel die Aussage, dass die Stadt vorhabe zu verkaufen“, so Patricia Klein, CSU-Fraktionsvorsitzende.
Abschluss
OB Lösel betonte abschließend, dass die Stiftung nun vor allem eines brauche: Ruhe. Sonst würden auch sämtliche Lösungsvorschläge nicht greifen. Schließlich müsse man auch künftig geeignete Mitarbeiter finden können. Deshalb werde auch künftig ein Zuständiger (Roland Wersch, Vorstand der Heilig-Geist-Spital-Stiftung) sich um die Belange kümmern. Der Oberbürgermeister werde nur eingreifen, wenn dies erwünscht sei. Auch die einzelnen Anträge der Fraktionen werden Roland Wersch vorgelegt und von ihm auf deren Machbarkeit hin überprüft.
Für den Stadtrat am 25. Juli ist Wersch eingeladen über das Erbbaurecht zu referieren. „Für Diskussionen haben wir den Stiftungsrat berufen, der ruhig und hervorragend arbeitet. Wenn wir das alles im Stadtrat machen würden, würden wir gar nicht mehr fertig werden“, betonte OB Lösel. „Wir müssen Herrn Wersch signalisieren, dass wir ihm vertrauen“.